Sicherheit auf dem Wasser vor Rügen

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Zwischen Strömung, Unachtsamkeit und Rettungsdienst – was die Saison 2025 lehrt

segeln rügen
Quelle: privat
Die Küste vor Rügen ist ein Magnet – für Segler, Motorbootfahrer, Chartergäste und Wassersportfreunde aller Couleur. Doch so reizvoll die Ostsee vor Rügen auch ist, so wenig darf man ihre Herausforderungen unterschätzen. In dieser Saison meldeten die Seenotretter der Station Sassnitz einen dramatischen Einsatz: Am 23. Juni 2025 wurde ein polnischer Zweimaster, der Wasser ins Schiff bekam und dessen Besatzung erkrankt war, in schwerer See gerettet. Zwei Rettungseinheiten der DGzRS rückten aus, brachten die Havaristen sicher nach Glowe.

Solche Vorfälle sind keine Ausnahme, sondern Teil einer hartnäckigen Realität: Je mehr Boote und Freizeitkapitäne unterwegs sind, desto wichtiger wird es, Risiken realistisch zu erkennen und vorbereitet zu sein. Zugleich zeigen nationale Statistiken und eine aktuelle Bootsstudie, dass viele Problemquellen nicht rein lokal sind – sie manifestieren sich auch vor Rügen.

Gefahr im Wasser – auch bei ruhiger See

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) verzeichnete im vergangenen Jahr 411 tödliche Unglücke in deutschen Gewässern – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Problem besonders präsent: Bis zum Sommer 2025 sind bereits 18 Menschen in Gewässern in MV ertrunken, darunter 10 in der Ostsee, davon allein neun in Mecklenburg-Vorpommern.

Diese Zahlen verdeutlichen: Für Regionen wie Rügen, die stark vom Wasser geprägt sind, ist das Risiko nie rein abstrakt. Winddreher, plötzliches Aufkommen von Wellen, Strömungen in Fahrwassernähe und saisonale Wetterphänomene stellen zusätzliche Gefahren dar. Bei der Rettungsstation Sassnitz erinnert man zudem daran, dass Einsätze nicht nur bei Sturm passieren: auch „Wasser im Schiff“ oder medizinische Notfälle an Bord führen zu dramatischen Situationen.

Ein weiteres Beispiel: Im Juni 2025 lief eine Fähre zwischen Hiddensee und Rügen auf Grund – aufgrund eines technischen Problems. An Bord befanden sich 142 Passagiere. Die DGzRS musste ausrücken, um den sichereren Verlauf wiederherzustellen. Solche Ereignisse zeigen, dass selbst vermeintlich sichere Verbindungen durch technische Ausfälle und nautische Herausforderungen schnell brenzlig werden.

Was sagen die Einsätze vor Rügen?

Der Einsatzbericht vom Juni 2025 ist besonders aufschlussreich, weil er typische Risikofaktoren bündelt: technisch verursachte Havarie, medizinischer Notfall, schwere See und medizinische Belastung der Besatzung. Die DGzRS-Station Sassnitz ist historisch eine der etablierten Stationen an der Rügener Ostsee.

Darüber hinaus beteiligt sich Rügen regelmäßig an großen Rettungsübungen: Die SAREx-Übung 2024 integrierte mehrere Rettungseinheiten der DGzRS, externe Schiffe und Hubschrauber mit realistischen Notfallszenarien, unter anderem vor Lauterbach. Solche Übungen zeigen: Retter wissen um die Komplexität ihrer Aufgabe – und auch, dass sie vorbereitet sein müssen.

Vor Rügen überschneiden sich oft touristischer Hochbetrieb, schwer vorhersehbares Wetter und nautische Besonderheiten wie Untiefen oder Begrenzungen durch Fahrwasser – das macht die Ostsee in dieser Region anfällig für Missverständnisse und Fehler.

Nationaler Befund: Nicht nur ein lokaler Einzelfall

Eine neue Studie zum Thema Sicherheit auf dem Wasser, die unter Bootsführerscheinbesitzern und -anwärtern durchgeführt wurde, fügt dem Bild eine übergreifende Ebene hinzu. Sie legt nahe:

  • In über 90 % der Fälle schätzen Skipper menschliche Fehler als das größte Risiko ein.
  • Es gibt eine erhebliche Kluft zwischen Wissen und Verhalten: Geräte oder Rettungswesten werden zwar als wichtig erkannt, aber nur etwa die Hälfte der Befragten prüft Ausrüstung regelmäßig vor Fahrtantritt.
  • Psychologische Verzerrungen wie der „Bias blind spot“ spielen eine Rolle: Über 80 % schätzen ihr eigenes Verhalten als sicher ein, nur rund 45 % trauen anderen dasselbe zu.

Diese Erkenntnisse zeigen, dass viele Problempotenziale systematisch sind – und dass Rügen nicht isoliert betrachtet werden kann.

Welche Lehren ergeben sich für Rügen?

Angesichts der lokalen Einsätze und der überregionalen Befunde lassen sich konkrete Ansatzpunkte für mehr Sicherheit ableiten:

  1. Mehr technisches Training vor Ort
    Die Fähre-Grundberührung zeigt: auch die „große“ Navigation muss durch technisches Wissen abgesichert sein. Bootschulen und Charterunternehmen auf Rügen sollten Technik-Workshops (für Motor, Ruder, Navigation) standardmäßig anbieten.
  2. Pflicht-Sicherheitsbriefings für Chartergäste
    Viele Nutzer sind Gäste, keine erfahrenen Skipper. Ein verpflichtendes, kompaktes Sicherheitsbriefing zu örtlichen Besonderheiten, Strömungen und Notfallroutinen könnte das Risiko reduzieren.
  3. Checklisten & Routineübungen
    Vor jeder Fahrt eine standardisierte Kontrolle (Ausrüstung, Wetter, Funk, Notfallplan). Auch einfache Übungen für Bordmannöver oder MOB (Mann über Bord) sollten mehr geübt werden – idealerweise in der Ausbildung und im regelmäßigen Rückblick.
  4. Regelmäßige Auffrischungstrainings mit realistischen Übungen
    Auch für erfahrene Bootsführer: stressorientierte Übungen, Szenarien mit Einschränkungen, Handlungsdruck. Solche Trainings simulieren unerwartete Ereignisse und schärfen die Entscheidungssicherheit.
  5. Stärkere Kooperation mit Rettungsorganisationen
    Stationen wie Sassnitz können Vorträge, praktische Demonstrationen und Sicherheitstage veranstalten. Der Austausch zwischen Bootsvereinen, Charterfirmen und Seenotrettern kann Wissen und Bewusstsein steigern.

Ausblick: Bereit für die nächste Saison

Rügen bleibt für viele Synonym für Urlaub, Meer und Freiheit – doch mit Freiheit kommt Verantwortung. Die Einsätze der Seenotretter zeigen, dass die Ostsee vor Rügen ihre Ruhe auch plötzlich aufkündigen kann. Die Bootsstudie belegt: Viele Gefahren lassen sich nicht beobachten, sondern entstehen im Kopf, durch Gewohnheit, Überschätzung oder Routineblindheit.

Ein sicherer Umgang mit dem Wasser in dieser Region heißt: Technik, Psychologie und Training müssen Hand in Hand gehen. Vor Rügen wie überall gilt: Boote müssen nicht untergehen, wenn Menschen wachsam sind. Dieser Sommer sollte nicht nur Erinnerung an Rettungseinsätze sein – sondern Anlass, Sicherheit aktiv als Teil des Freizeitgenusses zu begreifen.